Der Onlinehandel boomt. Die spanische Metropole Barcelona versucht der Verkehrsentwicklung und den damit verbundenen Problemen im ökologisch-nachhaltigen Sinne entgegenzuwirken: Durch die Schaffung sogenannter Superblocks. Gleichzeitig gibt es eine neue Steuer für den Versandriesen Amazon.
Außerdem: Im Interview mit Andreas Schumann, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. (BdKEP) spreche ich darüber, ob diese Ideen auch auf Deutschland übertragbar sind.
Mehr Grünflächen und dafür weniger Verkehr
Barcelona gehört zu den am dichtesten besiedelten Städten Europas. Die Hauptstadt der spanischen Region Katalonien weist eine viermal höhere Bebauungs- und Einwohnerdichte auf als ursprünglich geplant. Das hatte Folgen: Es gab fast keine Grünflächen mehr. Während beispielsweise in Berlin 72 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner existieren, sind es in Barcelona nur 2,7 Quadratmeter. Die Metropole kämpfte wie viele Großstädte mit schlechter Luftqualität und hohen Temperaturen im Stadtkern – bis zu acht Grad kann es im Zentrum wärmer als im Umland sein. Die kreative Lösung: Superblocks.
Mit dem Konzept der Superblocks ging die Stadtverwaltung das Problem an und setzte es als Experiment in mehreren Wohnquartieren um. Die „Superilles“ genannten Quartiere sind etwa drei mal drei Wohnblöcke groß und der Verkehr aus ihnen größtenteils verdrängt. Der dadurch gewonnene öffentliche Raum lädt Menschen zum Rad fahren oder zum Flanieren oder Verweilen auf Grünflächen ein. Der Verkehr wird dabei um den Block herumgeleitet. Anwohnern dürfen mit ihren Autos maximal 10 km/h schnell fahren. Mit der Umgestaltung der Wohnbezirke hat sich die Lebensqualität schlagartig verbessert: Pflanzen und Bäumen ersetzten an vielen Stellen Beton und Asphalt.
Eindrucksvolle Zahlen und Sondersteuer für Amazon & Co.
Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die Grünflächen verdoppelten sich und die NO2-Emission sank um 24 Prozent. Der Radverkehr stieg um 30 Prozent, der Autoverkehr ging hingegen um 26 Prozent zurück. Das Konzept der Superblocks kann an jede städtische Struktur angepasst werden, eine blockartige Form des Quartiers ist dafür nicht relevant. Entsprechend wurde das Konzept der Superblocks bereits in unterschiedlichen Städten weltweit umgesetzt.
Flankiert wird diese Entwicklung seit März 2023 mit einer Steuer für große Online-Händler, die direkt an den Käufer liefern. Damit will man den Lieferverkehr in den Griff bekommen und den lokalen Einzelhandel stärken. Die inoffiziell „Amazon Tax“ genannte Steuer soll verhindern, dass große Lieferfahrzeuge für die Zustellung kleiner Pakete die Infrastruktur belasten und für Luftverschmutzung und Lärm sorgen. Die neue Abgabe betrifft nur E-Commerce-Unternehmen mit einem Umsatz größer als einer Million Euro jährlich. Ab dieser Grenze müssen die Unternehmen 1,25 Prozent ihres Ertrags an die Stadt abführen. In Barcelona betrifft das alleine 26 Händler – mit Amazon an der Spitze. Betroffen sind allerdings nur Lieferungen direkt vor die Haustür – das Bestellen und Abholen an einer Packstation oder Micro Hub als nachhaltigere Alternative ist davon ausgenommen.
Dass sich solche radikalen Maßnahmen in den mit viel Macht ausgestatteten Kommunalregierungen in Spanien oder Frankreich leichter als bei uns in Deutschland durchsetzen lassen, ist offensichtlich – erst vor Kurzem stimmten die Bürgerinnen und Bürger von Paris für die Abschaffung der auch bei uns ungeliebten E-Roller und ab 2024 sind dort Transporte in die Stadt nicht mehr mit Transportern mit Dieselmotor zulässig.
Inzwischen ist Deutschland in Sachen innovativer Maßnahmen zur Reduzierung von Verkehr und CO2-Emission schon lange nicht mehr Vorreiter – einige EU-Länder bezeichnen uns in Sachen Fortschritt beim CO2-neutralen Transport eher als Bremsschuh denn als Innovator.
Im Interview: Geschäftsführer des BdKEP
Hallo Herr Schumann, Superblocks, Quartier Hubs, Amazon-Steuer und komplett autofreie Innenstädte – wären solche Maßnahmen auch in Deutschland denkbar bzw. welche Folgen und Risiken hätten sie bei uns?
Andreas Schumann: Wenn ich mir aktuell die Reaktion von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung auf nur kleinste Veränderungen anschaue, kann ich mir solche Maßnahmen in den nächsten Jahren nur schwer vorstellen. Eine E-Commerce-Steuer zum Schutz des lokalen Einzelhandels halte ich für kaum umsetzbar und kontraproduktiv. Am nächsten kommt dem Thema ein Projekt in Hannover - Linden Nord. Dort wurden 20 Haltepunkte /Lieferzonen (á 2 Pkw-Stellplätzen) geschaffen, die an Werktagen zwischen 9 bis 17 Uhr für den Lieferverkehr reserviert sind. Außerhalb dieses Zeitfensters sind es normale Parkplätze. Wir würden es jedoch sehr begrüßen, wenn man Modellquartiere findet, in denen aus heutiger Sicht „radikal“ neu gedachte Liefersysteme umgesetzt werden. Anhand der Erkenntnisse können Veränderungen in anderen Gebieten initiiert werden.
Das Thema der Konsolidierung der Lieferverkehre in die Innenstädte (Zustellung an eine Adresse/Stadtteil nur noch durch einen physischen Lieferdienst) wird ja seit Jahren in Deutschland diskutiert, echte Ergebnisse sind bisher Mangelware. Ist der freie Wettbewerb hier ein vorgeschobener Bremskeil und wie ist hier der aktuelle Stand der Planungen in Kommunen, Ländern und Verbänden?
Andreas Schumann: Das Thema der Konsolidierung betrifft aus KEP-Sicht maßgeblich B2C-Sendungen aus dem E-Commerce. Hier stellen drei Paketdienste schätzungsweise 85 Prozent der Sendungen zu. Diese haben derzeit bis auf einzelne Ausnahmen kein Interesse an diesem Thema. In Fachkreisen werden mögliche Vor- und Nachteile der Konsolidierung immer wieder diskutiert. Hier braucht es jedoch neue regulierende Maßnahmen von Politik und Verwaltung, um die Potenziale der Konsolidierung zunächst in Pilotgebieten zu evaluieren. Mit den Erkenntnissen lassen sich die Ansätze weiter entwickeln und in anderen Gebieten ausrollen.
Stichwort beschlossenes Diesel-Einfahr-Verbot in Paris ab 2024 zu den Olympischen Spielen: Wie fördert der BDKEP die notwendige Dekarbonisierung, welche Forderungen bzw. Vorschläge hat der Verband an dieser Stelle und welche Empfehlungen geben Sie Ihren Mitgliedern zu diesem Thema?
Andreas Schumann: Der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. hat zu diesem Thema die Strategiegruppe Verbrenner-Ausstieg aufgesetzt. Hier werden Szenarien entwickelt, wie KEP-Unternehmen die Umstellungen umsetzen können. Beispielsweise können sie zeitig, mittelfristig oder spät den Fuhrpark umstellen. Ausgehend davon ergeben sich die nötigen Planungsschritte wie zum Thema Ladeinfrastruktur. Mitglieder können das zur Entscheidungsfindung für die jeweils eigene Strategie heranziehen. Der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. entwickelt über seine Expertengruppe dafür die entsprechenden Tools beispielweise zum Thema Prozesskostenrechnung und Lade- bzw. Antriebsenergiestrategien. Dieses Wissen wiederum bringen wir in politisch initiierte Plattformen wie das Bündnis Flottenumstellung Nutzfahrzeuge in Baden-Württemberg oder auch die Entwicklung von Förderinstrumenten für mittelständische KEP-Unternehmen ein.
Vielen Dank Herr Schumann für den interessanten Einblick.
Über Andreas Schumann
PASS investiert in deutsche Künstliche Intelligenz
Unser Geschäftsbereich Logistics beschäftigte sich schon lange mit dem Thema der Digitalisierung und seit einigen Jahren auch intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz und wie man diese in der Logistik sinnvoll einsetzt. Nachdem das Thema der Optimierung des Lieferverkehrs auf der sogenannten letzten Meile im Zuge von Dekarbonisierung und Konsolidierung von Lieferströmen in den Metropolen immer wichtiger wird, setzen wir uns auf der Planungsseite mit Lösungsansätzen für die Zukunft auseinander.
Zusammen mit der Universität Würzburg arbeiten wir im Rahmen des Forschungsprojektes FaST-KI momentan daran, die Zustellung auf der letzten Meile mit Hilfe von KI und Big Data noch weiter zu verbessern. Das Ziel des im bayerischen Verbundforschungsprogramm geförderten Projekts ist eine präzisere Fahr- und Standzeitprognose in der Tourenplanung mittels Künstlicher Intelligenz für die KEP-Branche.
Der erste große Wurf war die Entwicklung eines eigenen genetischen PASS Optimization Service Algorithmus (POS) mit KI-Elementen, der bereits in all unseren Optimierungslösungen zum Einsatz kommt und sich dabei im Vergleich mit der Software des Wettbewerbs mehrfach durchsetzen konnte. Den POS haben wir auch in die Anwendungen MAPSERVICES, PASS MAPS und PLANTOUR integriert. Dies führte nachweislich zu besseren Ergebnissen und im Rahmen einer dynamischen Planung ließen sich Kilometer und Kosten reduzieren sowie die Auslastung verbessern. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, schnell auf bestimmte Ereignisse zu reagieren.
Wer Interesse daran hat, unsere Lösung einmal selbst auszuprobieren, kann sich gerne über unsere Webseite einen kostenfreien Testzugang aktivieren und die Anwendung in der Praxis unverbindlich testen.
Bilder: Shutterstock, PASS, BdKEP