Etwas Wahres mag man an dieser Aussage durchaus finden. Warum sollte man sich auch die Mühe machen, seine Legacy-Systeme durch modernere Plattformen zu ersetzen, wenn diese doch allem Anschein nach einwandfrei laufen?
Tatsächlich werden Altsysteme mit steigender Lebensdauer aber immer mehr zu einer Belastung – selbst wenn sie eigentlich noch ohne Probleme funktionieren. Die nachfolgenden fünf Gründe geben Ihnen einen Überblick darüber, warum Sie die Migration auf zukunftsträchtigere Plattformen besser heute als morgen in Angriff nehmen sollten.
1. Für Legacy-Systeme fehlt das Know-how
Als Legacy-Systeme bezeichnen wir Anwendungen, in den meisten Fällen Individualentwicklungen, die in Unternehmen schon seit vielen Jahren zum Einsatz kommen und seit ihrer Einführung beträchtlich an Umfang gewonnen haben. Angesichts der fortgeschrittenen Lebensdauer dieser Systeme ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr ursprüngliches Entwicklerteam das Unternehmen mittlerweile verlassen hat – sei es durch Arbeitsplatzwechsel oder den Renteneintritt bedingt. Wen also fragen, wenn Probleme oder neue Anforderungen auftauchen? Zusätzlich verschärft wird die Situation, wenn die Architektur der Legacy-Systeme anhand mangelhafter Dokumentationen nur noch schwer nachvollziehbar ist.
Doch nicht nur die Systeme selbst sind mittlerweile veraltet, sondern auch die Programmiersprachen, in denen sie geschrieben wurden. In vergangenen Jahrzehnten erfreute sich COBOL großer Beliebtheit, besonders im Bereich der betriebswirtschaftlichen Datenverarbeitung. Die Anwendungen laufen heute immer noch – einen erfahrenen COBOL-Entwickler auf dem Arbeitsmarkt zu finden, dürfte sich jedoch als schwierig erweisen. Schon lange haben modernere Programmiersprachen wie Java oder C# der Sprache aus den Fünfzigerjahren den Rang abgelaufen: Laut aktuellem TIOBE Index befindet sich COBOL inzwischen nur noch auf Platz 27 der beliebtesten Programmiersprachen weltweit.
2. Technische Schulden schaffen einen Teufelskreis
„Legacy“, lässt sich mit „Vermächtnis“ oder „Hinterlassenschaft“ übersetzen. Ein Legacy-System wiederum ist wohl am ehesten mit einem geerbten Haus zu vergleichen, in dem die eigene Familie schon seit vielen Jahren lebt. Dieses Haus ist über die Zeit hinweg gewachsen und hat sich durch Anbauten und Renovierungsarbeiten immer weiter verzweigt – oft kurzfristig und aus spontanen Bedürfnissen heraus. Anstelle von Verknüpfungen wird bei Legacy-Systemen Code dupliziert, nur um zu einem späteren Zeitpunkt uneinheitlich angepasst zu werden. An anderer Stelle werden Patches und Übergangslösungen implementiert, die ohne großen Aufwand zum gewünschten Ergebnis führen.
Solch ein organisches Wachstum der Altsysteme bewirkt, dass diese mit der Zeit immer schlechter wartbar werden. Was ursprünglich als Einheit konzipiert wurde, fügt sich dann eben irgendwann nicht mehr nahtlos zusammen – eine Tatsache, unter der auch die Testabdeckung leidet. Technische Schulden entstehen und machen den Umstieg auf modernere Plattformen zwar von Übergangslösung zu Übergangslösung hin immer notwendiger, erschweren ihn aber gleichzeitig auch immer mehr. Ein echter Teufelskreis, aus dem Sie so schnell wie möglich ausbrechen sollten.
3. Moderne Systeme beschleunigen die Geschäftsprozesse
Geschäftsprozesse befinden sich in einem ständigen Wandel: neue Anforderungen entstehen, Vorgehensweisen werden durch effizientere ersetzt. Da erscheint es nur logisch, dass sich mit den Prozessen auch die Systeme wandeln. Sollen neue, automatisierte Verfahren eingeführt werden, stoßen Legacy-Systeme aufgrund ihres hohen Komplexitätsgrades jedoch recht schnell an ihre Grenzen. Schließlich kann nur das sinnvoll automatisiert werden, was sich schon in seiner Ursprungsform nahtlos zusammenfügt. Automatisierte Verfahren sorgen dafür, dass Fehlerpotenzial eingedämmt wird und sich Mitarbeiter wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können – allesamt Vorteile, in deren Genuss Sie nur kommen, wenn Sie sich von Ihren Legacy-Systemen verabschieden.
Auch aus Usability-Sicht sind Altsysteme kritisch zu hinterfragen, denn gerade in diesem Bereich hat sich im Laufe der letzten Jahre so einiges getan. Mittlerweile wird beim Entwurf einer Softwarelösung gezielt darauf geachtet, dass Benutzeroberflächen intuitiv erfassbar und konsistent aufgebaut sind. So fällt es Mitarbeitern naturgemäß leichter, moderne, möglicherweise webbasierte Anwendungen zu bedienen, als sich in hochkomplexen, jahrzehntealten Systemen zurechtzufinden. Leichtgewichtige Oberflächen verkürzen demnach die Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter und der Support muss seltener bemüht werden.
4. Altsysteme sind teuer
Der langjährige Einsatz von Legacy-Systemen bremst nicht nur die Geschäftsprozesse eines Unternehmens aus, sondern verschlingt auch einen Großteil der IT-Kosten. Ganze 60 Prozent der IT-Gesamtkosten eines Unternehmens gehen einem Lünendonk-Whitepaper zum Thema Software-Modernisierung zufolge für die Wartung von Altsystemen drauf. Und dieser Anteil steigt proportional zur Einsatzzeit eines Systems sowie zu den sich anhäufenden technischen Schulden, die das System mehr und mehr beanspruchen. Für Neuentwicklungen bleibt währenddessen nur noch ein geringer Anteil des Budgets übrig.
Wie bereits dargelegt, verhindern veraltete IT-Infrastrukturen in vielen Fällen die gewinnbringende Automatisierung von Geschäftsprozessen. Dies beeinflusst die Effizienz von Arbeitsabläufen und damit auch ganz konkret die Rendite eines Unternehmens. Verschiedene Untersuchungen haben in den letzten Jahren aufgezeigt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Automatisierungsgrad von Geschäftsprozessen und der Umsatzrendite eines Unternehmens besteht – der Einsatz von Robotern wird zum kritischen Erfolgsfaktor. Deshalb gilt: Um durch Automatisierung Kosten einzusparen, müssen Altsysteme auf neue Plattformen migriert werden!
5. Veraltete IT-Infrastrukturen bremsen die Digitalisierung
Wer Legacy-Systeme in seinem Unternehmen einsetzt, muss sich darüber bewusst sein, dass diese in vielerlei Hinsicht nicht mehr den neusten technischen Standards entsprechen. Die wenigsten Altsysteme folgen beispielsweise den aus der IT Infrastructure Library bekannten Best Practices und auch moderne Architekturen sowie Programmiermodelle sucht man hier vergeblich. Dazu kommen teilweise erhebliche Sicherheitsprobleme, die entweder durch die bereits erwähnten technischen Schulden oder durch den in vielen Fällen schon seit Jahren abgelaufenen Herstellersupport und dementsprechend fehlende Sicherheitsupdates bedingt sind.
Will man mit derart veralteten IT-Infrastrukturen Innovationen umsetzen, gerät man recht schnell an die Grenzen des Machbaren, denn Legacy-Systeme sind nur wenig flexibel und somit echte Innovationsbremsen. Ein großes Innovationspotenzial wird derzeit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen zugesprochen – digitale Prozesse verändern die Arbeits- und Handlungsweisen in Unternehmen und können bei richtigem Einsatz eine deutliche Effizienzsteigerung bewirken. Accenture hat 2014 im Rahmen der Digital Innovation Survey 141 Unternehmen dazu befragt, auf welche Weise sie in den kommenden Jahren digitale Technologien dazu einsetzen möchten, um die Effizienz ihrer Prozesse zu steigern. 49 Prozent der Befragten antworteten darauf, dass der Umstieg von Legacy-Systemen auf modernere Plattformen einen bedeutsamen Teil ihrer digitalen Strategie ausmache.
Legacy-Systeme haben ein Verfallsdatum
Viele Gründe sprechen dafür, sich von seinen Altsystemen zu verabschieden und IT-Modernisierungsprojekte in Angriff zu nehmen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, seine IT-Infrastruktur auf die Zukunft vorzubereiten – Re-Engineering hat sich schon längst als Gegenstück zur vollständigen Neuentwicklung etabliert, während automatisierte Migrationsverfahren in vielen Fällen die Fehlerquote und den Arbeitsaufwand deutlich senken können.
Eins steht jedoch fest: Jedes Legacy-System hat ein Verfallsdatum und stößt irgendwann an seine Grenzen. Läuft doch?! Nein, läuft noch!
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