In meinem letzten Beitrag 8 No-Gos bei Online-Shops standen die größten Conversion Killer im Blickpunkt. Heute gehe ich einen Schritt zurück – denn vor dem Shop steht die Auswahl des passenden Systems. Und hier hat man als Betreiber die sprichwörtliche Qual der Wahl.
Die Anforderungen müssen an erster Stelle stehen
Gerne vernachlässigt, entscheidet sie doch maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg eines Projektes: die Anforderungsanalyse. Die Mehrzahl aller gravierenden Defizite entsteht nämlich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt. Zahlreiche Einflussfaktoren und deren Abhängigkeiten müssen identifiziert und analysiert werden. Zentrale Themen der Untersuchung sind beispielsweise:
Kenntnisse des Produktes & der Zielgruppe
Je nach Produktart ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an das Shopsystem. So wird beispielsweise bei digitalen Gütern ein Rechtemanagement und ein Downloadbereich benötigt. Physische Güter erfordern gegebenenfalls eine flexiblere grafische Darstellung.
Die nächste Frage bezieht sich auf die Käufergruppe. Welche potenziellen Konsumenten werden mein Produkt bestellen und welche Besonderheiten zeichnet diese Zielgruppe aus? Kenntnisse können direkt im Design und in der Funktionalität des Shops berücksichtigt werden.
Analyse bestehender Shopsysteme am Markt
Nur wer sein Umfeld kennt und weiß, aus welchem Portfolio er am Markt wählen kann, wird am Ende auch die für ihn am besten passende Lösung finden. Shopsysteme gibt es mittlerweile en masse. Für jede Branche und Unternehmensgröße existieren Lösungen, die sich im Funktionsumfang maßgeblich unterscheiden. Hier ist eine ausführliche Marktrecherche erforderlich.
Technische, funktionale & betriebsseitige Faktoren
So zahlreich wie die vorhandenen Lösungen sind auch die technischen und funktionalen Entscheidungskriterien. Hier ein kleiner Ausschnitt:
- Funktionsumfang: Inwiefern deckt die Software die benötigten Funktionen ab bzw. inwiefern müssen neue Funktionen entwickelt werden?
- Integrationsfähigkeit: Wie leicht und schnell kann ich das System in die bestehende IT-Infrastruktur des Unternehmens integrieren?
- Usability: Wie leicht und intuitiv ist die Lösung aus Käufer- und Anwendersicht zu bedienen?
- Leistungsfähigkeit: Ist mein Shop performant und belastbar?
- Flexibilität: Wie schnell kann ich das System anpassen und welcher Grad an technischem Know-how ist hierfür erforderlich? Gibt es offene APIs, um fehlende Funktionen dazu zu implementieren oder handelt es sich um ein geschlossenes System?
- Datensicherheit: Wie gestaltet sich der Umgang mit sensiblen Daten? Unterliegen die Daten vollständig dem Bundesdatenschutzgesetz?
- Skalierbarkeit: Inwiefern ist das System in der Lage, mit dem Unternehmen mitzuwachsen?
- Betriebssicherheit: Welche Ausfallsicherheit wird benötigt? Ist die Unterstützung eines Katastrophenfall-Szenarios (K-Fall-Szenario) erforderlich? Schaltet der Hosting-Partner im Überlastbereich automatisch neue Server hinzu, um die Antwortfähigkeit des Shops zu gewährleisten?
- Betriebstransparenz: Erhält der Käufer ein transparentes Monitoring über den Aktivitätsumfang auf seinem Shop? Kann der Kunde selbstständig durch Monitoringinformationen navigieren?
- Investitionsschutz: Wie lange ist der Anbieter bereits am Markt? Handelt es sich um ein Unternehmen, das Gewinne macht oder ein Unternehmen, das sich noch in der Start-up-/Seed-Phase befindet?
- Kosten: Welche Preismodelle werden angeboten und kommen für mein Unternehmen in Frage? Bietet der Shopbetreiber nur ein Lizenz oder auch monatliche Modelle an? Wie lange ist die vertragliche Bindungsfrist und kann zwischen verschiedenen Betriebsmodi gewechselt werden?
- Zukunftsfähigkeit: Passt das System zur strategischen Ausrichtung meines Unternehmens?
Eine Anforderungsanalyse erfordert zudem Expertise aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen: Ein IT-Experte kann am besten die technischen Anforderungen beurteilen, der Finanzverantwortliche Finanzierungsmöglichkeiten und der Produktmanager verfügt über tiefes Produkt-Know-how. Alle User, die im Unternehmen mit dem Shop in Berührung kommen, bringen Anforderungen mit – diese müssen in Form von Entscheidungskriterien gesammelt und aufbereitet werden.
Zudem muss das Shopsystem in Einklang mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens stehen. Als Entscheidungsinstanzen sind daher auch Mitglieder der Geschäftsführung einzubeziehen. Plant das Management zukünftig z.B. internationale Aktivitäten, so muss das von vorneherein berücksichtigt werden (Mehrsprachigkeit, länderspezifische Zahlungsoptionen etc.).
Die Qual der Wahl
Die Anforderungen sind definiert und der Markt sondiert? Dann steht jetzt die eigentliche Systemauswahl an: Die aggregierten und strukturierten Anforderungen können mit den am Markt verfügbaren Softwarelösungen abgeglichen werden. Je mehr Anforderungen mittels einer Standardlösung abgedeckt werden können, desto weniger individueller Anpassungs- und Entwicklungsaufwand. Das spart Zeit, Geld und verhindert Probleme bei künftigen System-Upgrades. Dennoch sollte sich der Shopbetreiber klar machen, welche technischen Anforderungen zur Pflicht und welche zur Kür gehören – denn selten wird ein System alle Wünsche zu 100 Prozent erfüllen können. Daneben sollte natürlich auch der Lösungsanbieter auf Herz und Nieren geprüft werden: Stichworte sind hier die Investitions- und Zukunftssicherheit.
Wie in meinem Beitrag gilt auch bei der Auswahl des richtigen Shopsystems der Löwenanteil der Zeit der Anforderungsanalyse. Hier wird der Grundstein gelegt, um einen erfolgreichen Online-Shop zu etablieren, der sich auf Dauer am Markt behaupten kann. Wie sind Ihre Erfahrungen?
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